Zu Besuch bei Reiner und Natalie

(Reiner und das vermisste Poesiealbum)

Hatten wir in jungen Grundschultagen nicht alle eines? In sogenannten Poesiealben verewigten sich damals meistens zuerst die Eltern und nahen Verwandten, gefolgt von den Klassenkameraden und Lehrern, die einem darin auf mehr oder weniger poetische Weise alles Gute für die Zukunft wünschten, manchmal selbst gedichtet, oftmals aber nur schnöde abgeschrieben. Nach dem ersten Schulwechsel fühlte man sich meistens entweder zu alt für solche "Kindereien" und das Album verschwand daheim in irgendeiner Schublade, oder es landete irgendwann bei jemandem auf Nimmerwiedersehen, der einem nur schnell etwas hineinschreiben wollte.

Letzteres war bei Reiner und Lolo, beide inzwischen 40 Jahre alt, der Fall: Vor ziemlich genau zwanzig Jahren landete Reiners Poesiealbum bei Lolo und geriet in Vergessenheit, bis es Lolo erst vor kurzem wieder in die Hände fiel, als er gerade nach etwas ganz anderem suchte (dieses Phänomen ist allgemein bekannt). Da er und Cati heute Abend bei Reiner und Natalie zum Spaghettiessen eingeladen sind, nutzt er die Gelegenheit, Reiner sein Album wieder zurückzugeben. Natürlich nicht, ohne vorher endlich auch einen eigenen poetischen Beitrag darin geleistet zu haben. 

Lieber Reiner,

Seit acht Jahren hatte keiner

Mehr ins Album Dir geschrieben.

Unberührt war es die ganze

Zeit in Deinem Schrank geblieben.

Eines Tages kam es schließlich

Unverhofft in meine Hand,

Wo es weit're zwanzig Jahre

Dann in meinem Schrank verschwand!

Lang genug hat es geruht.

Zeit, dass sich nun etwas tut!

Für Dein weit'res Leben wünsche

Ich Dir Spaß, Erfolg und Glück!

Und beim Lesen dieser Zeilen

Denke auch einmal zurück

An die guten, alten Zeiten!

Waren sie nicht wunderbar?

Wir erlebten viel gemeinsam.

Ach, wie schön's doch damals war!

Dein Freund Lolo.